BEHUTSAM ZU NEUEM LEBEN ERWECKT: DAS BRAUHAUS ZU UNTERSTEINBACH

Mit Phantasie, Abenteuerlust und Durchhaltevermögen: Wie aus einem Brauhaus ein Gästehaus wurde

1928
Brauereibesitzer Georg Zeck erhält vom Bezirksamt Haßfurt die Genehmigung für den Bau eines neuen, für die damalige Zeit sehr modernen Brauereigebäudes, Architekt und Bauleiter ist der Untersteinbacher Karl Rüttinger (1880-1952).

1929 bis 1934
Die schlechte wirtschaftliche Lage in der Republik und die politischen Umwälzungen bekommt auch Zeck zu spüren. Preise wie z. B. für Vieh – Zeck hat neben der Brauerei auch noch Landwirtschaft und Gastwirtschaft – sinken in den Keller, die Schulden für das neue Brauhaus drücken zusätzlich. Obendrein trifft den Untersteinbacher ein weiterer Schicksalsschlag: 1933 stirbt seine Frau Elsa. Der Witwer ist nun allein mit zwei Kindern. Aus diesem Grund gewährt ihm das Bezirksamt nochmals Aufschub, was den Verputz des Baus betrifft. Er heiratet erneut. Die zweite Ehefrau, ebenfalls Witwe, bringt ein Kind mit in die Ehe und bald schon freuen sich die Zecks über weiteren Nachwuchs, man ist nun zu sechst.

Sommer 1935
Mehrmals wurde vom Bezirksamt in den vorausgehenden Jahren moniert, dass das Gebäude noch immer nicht verputzt ist. Es kommt sogar zu einer Anzeige, sodass Georg Zeck den Putz nach sechs Jahren doch anbringen lässt.

1950er Jahre
Georg Zeck verkauft das gesamte Anwesen an die Brauerei Kesselring aus Marktsteft. Die Gründe für den Verkauf sind unbekannt. Möglicherweise gibt es unter den Nachkommen keine Nachfolger, denn beide Söhne aus erster Ehe sind im 2. Weltkrieg gefallen. Gebraut wird aber fortan nicht mehr, die Brauerei steht die kommenden sechs Jahrzehnte leer. Die Zeit und die Witterung setzen dem Gebäude arg zu und so bietet es einen immer trostloseren Anblick.

September 2010
Olaf Ernst, Urenkel des Architekten Karl Rüttinger, führt erste Sondierungsgespräche mit der Brauerei Kesselring. Sein Ziel ist die Renovierung der alten Brauerei, die seinerzeit sein Urgroßvater als Baumeister geplant und umgesetzt hat. Ein Nutzungskonzept hat er bereits im Kopf: Er möchte mit attraktiven Ferienwohnungen nicht nur den Tourismus weiter ankurbeln, vielmehr möchte er auch den Sitz seines Steuerbüros mit vier Arbeitsplätzen von Knetzgau nach Untersteinbach verlegen.

Herbst/Winter 2010
Erste Vororttermine mit der Denkmalschutzbehörde und dem Architekten Veit Huber aus Bamberg finden statt.

2011 bis Anfang 2013
Die Unterfränkische Kulturstiftung und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege unterstützen die Vorprojektierung, also die Planung und Bestandserhebung durch den Architekten (inkl. Statik und Standfestigkeit).

Das Abklären von Förderungsmöglichkeiten nimmt viel Zeit in Anspruch. Olaf Ernst stellt sein Vorhaben immer wieder an verschiedenen Stellen vor. Das breite Nutzungskonzept (Ferienwohnungen, Steuerkanzlei) für das historische Gebäude in der Ortsmitte stößt bald auf positives Feedback.

Zudem beginnen die Verhandlungen mit den Eigentümern des Nachbargrundstücks auf der Ostseite, das Olaf Ernst erwerben möchte, da zu diesem Zeitpunkt kein Grund und Boden zur Brauerei gehören. Bis Dezember 2011 war dort eine Schreinerei ansässig, die mittlerweile in andere Räume umgesiedelt ist.

Januar 2013
Aufnahme in das Städtebauförderprogramm zur Revitalisierung von Gewerbebrachen (Bayerisches Innenministerium)

April 2013
Grundstückserwerb Brauerei und angrenzender Grund (ehemalige Schreinerei); Die ehemalige Werkstatt wird abgerissen, sodass die Brauerei nun völlig frei steht, was die Attraktivität weiter erhöht. Auf den 521 Quadratmetern soll ein Garten angelegt werden. Zudem profitiert das Gebäude, speziell die Ferienwohnungen, von dem zusätzlichen Lichteinfall.

Sommer 2013
Die Gemeinde Rauhenebrach genehmigt den Bauantrag.

Dezember 2013
Alle Verträge und notwendige Fördermaßnahmen sind nun unter Dach und Fach, sodass der Umbau im Frühjahr 2014 beginnen kann.

2014 bis 2015
Es gibt viel zu tun, allein die Abfälle, die im Laufe der Jahrzehnte in dem Gebäude entsorgt wurden – große Mengen Schutt, Reifen, Maschinenteile, Einrichtungsfragmente etc. – füllen zahlreiche Mulden.

Um eine der heutigen Zeit angemessene Deckenhöhe zu erreichen, müssen neue Holzbalkendecken eingezogen werden. Die historischen Kappendecken können teilweise erhalten werden. Sanitäre Anlagen sind wenn, dann nur rudimentär vorhanden. Sämtliche Räume des Backsteingebäudes werden von innen mit einer Wärmedämmung versehen, der teilweise marode Dachstuhl muss ausgebessert werden um die äußeren Proportionen des Gebäudes zu erhalten. Die Schleppgauben („Lüftungsgauben“) werden von einer ortansässigen Zimmerei 1:1 nachgebaut und die alten, einfach verglasten Metallsprossenfenster werden sandgestrahlt und neu beschichtet, damit der Charakter des Gebäudes erhalten bleibt. Auch das Thema Fassadenputz ist wieder aktuell: Da es sich um einen sogenannten RillenPutz handelt, der typisch für Industriebauten dieser Zeit ist, aber heute nicht mehr verwendet wird, müssen eigens Kirchenrestauratoren die noch vorhandenen Putzflächen festigen und fehlende Stellen ergänzen.

Das Ergebnis sind drei attraktive Ferienwohnungen von je rund 65 Quadratmetern, für deren Ausstattung alte Brauereieinrichtungsgegenstände umfunktioniert werden: So bildet der Couchtisch – der ehemalige Hopfenseiher aus dem Kühlschiff – einen attraktiven Hingucker im Wohnzimmer einer Wohnung. Teile der Schrotmühle wurden restauriert und fügen sich nun optisch nahezu perfekt in die neu entstandenen Büroräume ein. Der Berieselungskühler, dessen Aufgabe ursprünglich die Abkühlung der Würze war, wird künftig als Brunnen im Außenbereich zur Geltung kommen.

Das Steuerbüro bietet Platz für sechs Arbeitsplätze und Besprechungsraum auf drei Ebenen. Imposant ist der Raum, in dem sich einst der Braukessel befand. Der musste zwar aus Platzgründen weichen, aber ein Segment des Läuterbottichs ließ man von einem Schreiner und einem Schlosser zum Schreibtisch umbauen. Der Läuterbottich ist ein großer Filter, in dem die festen Bestandteile der Maische (der „Treber“) von den flüssigen der Würze getrennt wurden. Das fünf Meter hohe Fenster sorgt für einen ausgezeichneten Lichteinfall.

Im Erdgeschoss hat der Bauherr den alten, acht Meter tiefen Brunnen in mühevoller Arbeit von Unrat befreit und abgestrahlt. Beleuchtet und mit einer Glasplatte versehen ist dieser Zeugnis aus einer Zeit, in der Komfort wie fließend kaltes und warmes Wasser noch keine Selbstverständlichkeit waren.

13. September 2015
Pünktlich zum „Tag des offenen Denkmals“ öffnet die neue, alte Brauerei ihre Tore und feiert Einweihung. Rund 80 Jahre nach seiner Erbauung erstrahlt das Gebäude in neuem Glanz, ein beeindruckender Bau von einer schlichten, zweckmäßigen und doch auffälligen Architektur, die übrigens beim Bezirksamt Haßfurt und beim Landbauamt Bad Kissingen anno 1928 auf Kritik stieß: „Die Dachneigung und Dachfußbildung entsprechen nicht der heimischen Bauweise. Sehr störend wirkt auch das spitze Eck an der Seite“, heißt es in einem Schreiben vom Juni 1928.


Virtuellen Rundgang durch die Alte Brauerei öffnen »

»Phantasie, Abenteuerlust, Durchhaltevermögen – wenn es um ‚Materialeinsatz” geht, haben wir von diesen dreien wahrscheinlich am meisten verbraucht. Jeder Bauherr weiß, wovon ich spreche: Häuser neigen zu Überraschungen. Mal sind’s schöne, mal weniger – da nützt auch die beste Planung nichts. Manches passiert auch einfach spontan. So wird der uralte Hopfenseiher plötzlich zum Couchtisch, der Berieselungskühler zum Brunnen und ein Teil des Läuterbottichs zum Schreibtisch. Schön, diese Dinge jetzt in ihrer alten neuen Umgebung zu sehen. Lebendigere Zeitzeugen kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen.«

Olaf Ernst, Bauherr und Urenkel des Architekten